ITALIENISCHE WURZELN.
MODERNE PÄDAGOGIK

DER ZIRKUS GIOVANNI KOMMT EIGENTLICH AUS TURIN

H ier begann alles: Italien 1826, siebzig Jahre bevor der Wanderzirkus in Europa ins Rollen kam, gab ein kleiner Junge im Piemont eine der ersten niedergeschriebenen „Kinderzirkusvorstellungen“. Die Aufführung war eine „One Child Show“. Ein einzelnes Kind, zehn Jahre alt, erhält den Applaus eines ganzen Dorfes. Der Name des Kindes: Giovanni Bosco. Don Bosco (Giovanni Bosco, geboren am 16. August 1816) wuchs als Halbwaise auf dem Land in der Nähe von Turin in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Alter von zehn Jahren brachte er sich ganz allein viele Kunststücke bei, wie „auf dem Seil laufen“, „auf ein galoppierendes Pferd springen“, „die Schwalbe“ (artistische Übung an einem senkrechten Mast), den „Salto mortale“, „mit drei Bällen jonglieren“, „auf den Händen gehen“ sowie viele Zaubereien und Taschenspielertricks. Seine Inspiration holte sich der Junge von umherziehenden Gauklern auf den Märkten und Kirmessen. Sonntags kamen „mehrere hundert“ Leute zusammen um seine Zirkusvorstellungen zu bestaunen. Giovanni Bosco erarbeitete sich als armer Bauernjunge auf der Zirkusbühne die Hochachtung der Menschen „jeden Alters und jeden Standes“. Diese historische Begebenheit offenbart bereits das kreative und soziale Potential des Kinderzirkus: Die Möglichkeit soziale Unterschiede zu nivellieren und den Benachteiligten eine Bühne zum Wachsen zu geben. Und offenbar wird auch bereits die Kraft von Kunst und Kreativität, mit der wir ungute Lebensumstände bewältigen können. Wenige Jahre später wird Don Bosco als Priester und Pädagoge zur weltbekannten pädagogischen Leitfigur und zum Reformer, der hunderten benachteiligten Kindern und Jugendlichen eine Chance für ihre Zukunft gibt.

WAS DANN GESCHAH

D ie Geschichte des Zirkus Giovanni beginnt 1994 als Teil des Don Bosco Jugendwerks in Bamberg. Als der Don Bosco Hort im Juni des Jahres eine Aufführung unter dem Namen „Zirkus Giovanni“ präsentiert, ist im Rest der Einrichtung die Umstrukturierung vom ehemaligen Internat zu einer heilpädagogischen Jugendhilfeeinrichtung in vollem Gange. Das pädagogische Potential des „Zirkusmachens“ inspiriert Emil Hartmann eine heilpädagogische Zirkusarbeit zu entwickeln und das Medium Zirkus dauerhaft in den teilstationären und stationären Bereichen der Einrichtung zu etablieren. Mit Entschlusskraft und großen Schritten wird die Idee in die Tat umgesetzt. Bereits 1995 beginnen die Planung und der Neubau der heilpädagogischen Tagesstätte Giovanni unter raum- und zirkuspädagogischen Gesichtspunkten. Dieses einmalige Modellprojekt bietet den Kindern bis heute einen „Indoor“-Zirkus mit Übungsmanege, „Löwengang“ und „Zirkuswagen“ als Speiseraum. 1996 wird die erste Stelle für eine zirkuspädagogische Fachkraft geschaffen und zwei Jahre später steht bereits der erste Zweimaster auf dem Hof der Einrichtung. Mit den Ressourcen wächst die Vielfalt des pädagogischen Zirkusunternehmens. Zirkusrequisiten finden sich bald in allen Wohn- und Tagesgruppen der Einrichtung. Geübt wird in der Turnhalle, auf der Manege, im Spielhof und überall, wo sich ein Platz findet. Das pädagogische Personal erhält zirkuspädagogische Fortbildungen um den jungen Menschen zirkuspädagogisch assistieren zu können. Der Zweimaster findet ab 1999 einen dauerhaften Platz auf einer Wiese (dem „Kunstrasen“) direkt neben dem Canisiusheim. Aufführungen in Bamberg und außerhalb sowie erste Publikationen, Fortbildungen und Fachvorträge machen das Projekt immer bekannter. Im Jahr 2000 startet flankierend das Projekt „Zirkuswerkstatt“. Junge Menschen mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt qualifizieren sich in der Holz- und Metallbearbeitung. Ein wichtiges Projekt nicht nur für die jungen Menschen, sondern für die Zirkuspädagogik in Deutschland: In der Zirkuswerkstatt werden Zwei- und Viermaster gefertigt, die sich bis heute an einigen Kinderzirkusstandorten in Deutschland finden lassen. Die jungen Menschen fertigen auch Großrequisiten wie Drahtseil und Luftartistikanlagen und sorgen als mobile Zeltbautruppe für wachsende Mobilität des Zirkus Giovanni. Ab 2002 geht der Zirkus Giovanni, nun mit einem großen Viermaster, regelmäßig auf Tour und präsentiert sein Umwelt-Musik-Zirkus FELUWA vor großem Publikum - zunächst in Bayern und später auch am Katholikentag in Osnabrück. FELUWA, ein multimediales Projekt zur Bewahrung der Schöpfung, gemeinsam entwickelt von Fachleuten aus Pädagogik, Theologie, Umweltpädagogik und Kindern und Jugendlichen des Don Bosco Jugendwerks, erhält 2006 die Bayerische Umweltmedaille. Der Zirkus Giovanni expandiert. Als Bundessieger des Projekts „Platz für Helden“ von ARD und Kinderhilfswerk baut die Zirkuswerkstatt 2005 einen neuen Viermaster und eine Sitztribüne für 500 Personen sowie ein Pagoden- und ein Artistenzelt auf der Wiese des Josefsheims. Die Arbeit des Zirkus Giovanni wird von ARD und KIKA in einer zwölfteiligen TV-Dokumentation begleitet. Der Zirkus Giovanni arbeitet ab sofort mit zwei Vollzeitkräften und zahllosen Honorarkräften um den neuen Ganztagsbetrieb zu gewährleisten. Vormittags dient das Zelt (bis heute) als schulpädagogischer Ort, besonders für Förder-, Mittel- und Grundschulklassen. Sie kommen jeweils für eine Woche zu Besuch und entwickeln mit Hilfe des Mediums Zirkus Selbstvertrauen, Sozialkompetenz und Klassengemeinschaft. Nachmittags heißt das Motto nun „Zirkus für alle!“. Der Zirkus Giovanni begrüßt in integrativen Settings Kinder mit und ohne „Handicaps“ aus ganz Bamberg und dem Umland. Die Offene Behindertenarbeit der Lebenshilfe Bamberg wird dauerhafter Partner. In der Fülle der Projekte, Angebote und Zielgruppen wächst die Kompetenz des Zirkus Giovanni als soziales und insbesondere heilpädagogisches Zirkusprojekt. Das Wissen wird dokumentiert und weitergegeben in unzähligen Vorträgen, Fernsehbeiträgen, Buchveröffentlichungen und Weiterbildungen. Inzwischen erreicht der Zirkus Giovanni jährlich über 2.000 Kinder und ermöglicht im Jahr über 30.000 erlebte Kinderzirkusstunden. Das Projekt erhält vom Bundesfamilienministerium den Bundespreis „Mixed up“ und wird ausgezeichnet vom Fernsehsender „Biography channel“. Bamberg wird zum wichtigen Ideengeber für die zirkuspädagogische Theorie und Praxis, ist 2005 gemeinsam mit anderen Gründungsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik und 2008 Mitgründer der Landesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik Bayern. Die Vernetzung wird schließlich international: Der Zirkus Giovanni knüpft Verbindungen mit dem CIRQUE DU SOLEIL (Montreal), dem ZIRKUS FUSKABO (Ljubljana | Slowenien) und den BARABAS CLOWNS (Arese | Italien) und führt seit 2015 jährlich die Weiterbildung „Social Circus nach der Methode des CIRQUE DU SOLEIL“ durch.

UNSER NAME KOMMT VON DON BOSCO

I n seinem Namen und seiner pädagogischen Ausrichtung beruft sich der Zirkus Giovanni ganz bewusst auf Giovanni Bosco (1815-1888, Turin), den Ordensgründer der Salesianer Don Boscos. Der Zirkus Giovanni übernimmt viele pädagogischen Leitsätze und Haltungen des italienischen Namensgebers. Obwohl Giovanni Bosco dem „wandernden Zirkus“, wie wir ihn heute kennen, zu Lebzeiten nie begegnen konnte, (die Geschichte des Wanderzirkus beginnt nach seinem Tod) ist er bereits Vordenker und Wegbereiter einer Präventiv- und Kreativpädagogik. Der zur damaligen Zeit herrschenden repressiven Pädagogik, setzt er ein Erziehungsbild entgegen, das von Wertschätzung, starkem Vertrauen in die Stärken der jungen Menschen, positiver Beziehung und starker Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen geprägt ist. Mit seiner Pädagogik erreicht Don Bosco hunderte von auf der Straße lebenden Kinder und Jugendlichen des frühindustriellen Turin. In den von ihm ab 1846 gegründeten Oratorien, einer Art Jugendzentren, gehören neben dem Spielhof Theaterbühnen zur festen Einrichtung („Das Theater ist mir heilig!“). Als Musikpädagoge unterrichtet Don Bosco die jungen Menschen zugleich in verschiedenen Blasmusikinstrumenten. Er unternimmt mit den jungen Menschen zahllose Wanderschaften über die Hügel und Dörfer des Piemont mit Gottesdiensten, Blasmusik- und Theateraufführungen. Ein mitgeführter Esel trägt die Kulissen und die Ausrüstung für das Theater. Ob hier auch Zirkuskunststücke aufgeführt wurden ist nicht überliefert.

DON BOSCO WELTWEIT

D er Zirkus Giovanni ist Teil der weltweiten Don Bosco Bewegung mit 1.900 Niederlassungen in 133 Ländern. Rund 14.500 Salesianer und über 200.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen weltweit 16 Millionen Mädchen und Jungen. Don Bosco bietet Obdach für Straßenkinder, Flüchtlingshilfe, Jugendsozialarbeit, Schulunterricht, Berufsbildung und Arbeitsvermittlung.

DIE WELTWEITE DON BOSCO ZIRKUSBEWEGUNG

Don Bosco Zirkusprojekte gibt es seit 1956 unter anderem in:

Niederlande: JEUGDCIRCUS DON BOSCO (gegründet 1956, Oudenbosch, Niederlande)

Italien: BARABBAS´CLOWNS (gegründet 1979, Arese, Italien)

Deutschland: ZIRKUS GIOVANNI (gegründet 1994, Bamberg)

Spanien: EL CÍRCULO MÁGICO INTERNACIONAL DON BOSCO (CMIDB) (gegründet 1995/seit 2008 international, Campano, Spanien)

Brasilien: CIRCO SOCIAL DOM BOSCO (gegründet 1995 Itaquera/São Paulo, Brasilien)

Kolumbien: ESCUEALA DE ARTES Y CIRCO VAMOS HACER CIRCO, Centro Juan Bosco Obrero (gegründet 2001, Ciudad Bolivar, Kolumbien)

Deutschland: KINDER- UND JUGENDZIRKUS BIRIKINO (gegründet 2004, Chemnitz)

Spanien: BUZZETTI`S CLOWN (gegründet 2009, Cordóba, Spanien)

Österreich: GIOVANNI (gegründet 2010, Wien, Österreich)

Slowenien: FUSKABO (gegründet 2011, Ljubljana, Slowenien)

Argentinien: CIRCO SOCIAL SALTIMBANQUI (gegründet 2014, Cordoba, Argentinien)

Argentinien: SALTIMBANQUI ROSARIO DOMINGO SAVIO (gegründet 2016, Rosario, Argentinien)

Montenegro: CIRCUS BOSCO (gegründet 2013, Podgorica, Montenegro)


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